Dominikanische Laien von 1285 bis heute

Dominikanerinnen und Dominikaner »in der Welt«

(Klaus Bornewasser)

Zur Geschichte der Dominikanischen Laien

Die im 13. Jahrhundert entstehenden Bettelorden übten eine große Wirkung auf breite Kreise der damaligen Bevölkerung aus. So ist es nicht verwunderlich, dass sich ähnlich wie bei den Franziskanern rund um die wie Pilze aus dem Boden schießenden Dominikanerklöster Laien ansiedelten. Diese fühlten sich vom Ideal des heiligen Dominikus angezogen und suchten nach einer Bindung an den Orden, dessen Arbeit sie mittragen wollten.

Menschen, die Bindung suchen, brauchen gewisse Strukturen. Dies erkannte der Ordensmeister der Predigerbrüder Munio von Zamora OP. Er gilt als »Gründervater« der Dominikanischen Laien, verfasste und erließ er doch im Jahr 1285 die »Regel für die Brüder und Schwestern von der Buße des heiligen Dominikus«. Diese Regel blieb mit nur unwesentlichen Änderungen bis zum Jahr 1923 in Kraft; sie überdauerte also mehr als 600 Jahre. Erste spürbare Änderungen wurden 1923, fünf Jahre nach der Änderung des
Kirchenrechts, vorgenommen. Unter der Leitung der Patres ließen sich die Mitglieder des »III. Ordens« – so der damalige Name der Laiengemeinschaften – in Vorträgen und Exerzitien unterweisen, nahmen am Gebetsleben der Predigerbrüder teil und übten Werke der Barmherzigkeit.
Trotz einer weiteren Überarbeitung in den 60er Jahren wurde nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil deutlich, dass sich nicht nur im Zusammenwirken der drei Zweige des Dominikanerordens – der Brüder, der Schwestern und der Frauen und Männer des III. Ordens – etwas ändern müsse, auch die Regel der dominikanischen Laien bedurfte sprachlich wie inhaltlich einer Erneuerung. In gleichem Maß, wie die Predigerbrüder in den 6oer Jahren begannen, die Beziehungen der einzelnen Ordenszweige untereinander neu zu ordnen, entließen sie die Schwestern und Brüder des III. Ordens in größere Freiheit und Eigenverantwortlichkeit. Fortan sprachen die Dominikaner nicht mehr vom ersten, zweiten und dritten Orden, sondern von Brüdern (Patres), Schwestern und Laien. Zusammengefasst nennt man alle drei Zweige des Ordens seit dem Symposiurn von Bologna im Jahre 1983 »Dominikanische Familie«

1985 schließlich kam es in Montreal (Kanada) zum ersten Internationalen Kongress der Dominikanischen Laiengemeinschaft. Im 700sten Jahr ihres Bestehens wurde die Regel gründlich überarbeitet und erneuert.

Leben und Wirken dominikanischer Laien am Ende des 20. Jahrhunderts

In unserer norddeutschen Ordensprovinz sind heute ungefähr 650 Laien in 14 Gemeinschaften zusammengeschlossen; einige von ihnen leben und wirken als Einzelmitglieder fernab von Konventen oder Gruppen.

Zu den dominikanischen Laien gehören verheiratete wie unverheiratete Frauen und Männer unterschiedlichen Alters und verschiedenster Berufsgruppen. Die Regel von 1985 sagt über diese Menschen: »Als Mitglieder des Ordens sind sie auf ihre Weise Träger der apostolischen Sendung in Gebet, Studium und Predigt.« (Nr. 4)

Gebet: Zum Gebetsleben gehören das tägliche Stundengebet und die möglichst tägliche Teilnahme an der Eucharistiefeier – soweit die familiären und beruflichen Verhältnisse dies zulassen. Meditation und Schriftlesung stellen weitere Möglichkeiten dar, der dominikanischen Berufung im Laienstand gerecht zu werden.

Studium: »Semper studere – immer studieren!« So fasst Guy Bedouelle OP die Empfehlungen des Dominikus an seine Weggefährten zusammen. Unsere Regel beschreibt die »wichtigsten Quellen, aus denen eine erfolgversprechende dominikanische Schulung schöpfen muss« (Nr. 13), wie folgt: Das Wort Gottes und das theologische Denken und Nachdenken, das liturgische Gebet, Geschichte und Tradition des Ordens, die neueren Dokumente der Kirche und des Ordens, das Erkennen der »Zeichen der Zeit« (vgl. Nr. 13).

An dieser Stelle wird deutlich, dass die Laien unverzichtbarer Bestandteil des Gesamtordens sind. Vincent de Couesnongle OP, vorletzter Ordensmeister der Dominikaner, schrieb 1983: »Der Tertiar von früher lebt heute nicht mehr in der dem Kloster angeschlossenen Herberge. Er „wohnt“ aufgrund seines Engagements und seiner Mitverantwortung im Kloster selbst. Das heißt, der ganze Orden würde es sehr spüren, wenn der Laie fehlen würde. «

Wie man versuchen kann, die Forderung nach Weiterbildung, Engagement und Mitverantwortung zu leben, soll kurz am Beispiel der Düsseldorfer »Las-Casas-Gruppe« erläutert werden: Die Mitglieder dieser Laiengemeinschaft treffen sich wöchentlich und beginnen ihren ge­meinsamen Abend mit dem Gebet der Vesper oder einer gemeinsamen Eucharistiefeier. Es folgt ein Vortrag oder ein Referat zu einer vorher festgelegten oder aktuellen Thematik mit anschließender Diskussion. Referenten/­ innen kommen aus den eigenen Reihen, es sind Brüder des Konventes oder auch Gäste von außerhalb. An anderen Abenden folgt dem Gebet eine Schriftlesung mit nachfol­gender Betrachtung. Auch gesellschafts-, tages- oder kir­chenpolitische Ereignisse können die Fragestellungen eines Abends bestimmen. Themen, die in letzter Zeit behandelt wurden, waren zum Beispiel die Gleichnisse Jesu, die Leidensgeschichte, der »§ 218« und der 500. Jahrestag der Eroberung Lateinamerikas. Daneben gab und gibt es immer wieder einen vorbereitenden Gedankenaustausch zu den Predigtreihen der Brüder des Konventes. Weiterhin beteiligt sich die Gruppe seit Jahren an verschiedenen sozialcaritativen Projekten. Jeder Gruppenabend endet mit einem gemeinsamen Essen.

Andere Gemeinschaften treffen sich 14tägig oder monat­lich. Sie alle arbeiten nicht mehr unter der Leitung eines »geistlichen Direktors« aus den Reihen der Mitglieder des Konvents, dem sie sich angeschlossen haben; vielmehr werden sie heute von einem »geistlichen Assistenten« begleitet. In Speyer nimmt erstmals eine Dominikanerin des dortigen Instituts den Dienst der Assistentin wahr.

Predigt: Normalerweise verstehen wir unter Predigt das Wort des Priesters im gottesdienstlichen Rahmen. Durch die Laienpredigt kann diese Vorstellung sicher hier und da ergänzt werden. Für die Dominikanische Familie ein­schließlich der Laien muss man den Predigtbegriff jedoch viel weiter fassen. Noch einmal sei Vincent de Couesnongle OP zitiert: Ohne die Laien stehen die Dominika­nerbrüder »allein vor der Welt, die sie evangelisieren sollen und deren Situation, Sehnsüchte, Ängste sie nur schlecht kennen«. Engagierte Laien können Menschen, die Gott suchen oder die von »der Kirche« enttäuscht sind, vielleicht einen neuen Zugang zu Gott schaffen, zumindest aber überall dort Türen öffnen, wo die Anwesenheit eines Ordensmannes oder einer Ordensfrau eine Hemmschwelle darstellen, wenn nicht sogar Ablehnung hervorrufen würde.

Neue Formen der »Predigt«, des Sich-Kümmerns um Suchende, des Zuhörens bei Verzweifelten und Alleingelassenen, des soliden Ratschlags für Ratlose, kurz: neue Formen der Seelsorge können Schwestern und Brüder nur zusammen mit den Laien finden. So können sie – jede an ihrem Platz und jeder in seinem Stand – gemeinsam Licht sein in der Welt und damit der Einladung ihres Ordensvaters folgen, Ihn nachzuahmen.

Die Zukunft der dominikanischen Laien

In den letzten Jahren hat sich in der westlichen Welt und natürlich auch in unserer Ordensprovinz das Verhältnis von Kirche und Gesellschaft gewandelt. Viele Menschen kehren der Kirche den Rücken, fast alle von ihnen bleiben jedoch auf der Suche nach einem Ideal, das sie langfristig ausfüllt und ihrem Leben einen Sinn verleiht. Oft mögen es falscher Stolz, Verärgerung über kirchliche Obrigkeiten und Machtstrukturen, vielleicht aber auch nur Unkenntnis sein, die Suchenden Wege verschließen. Parallelen zur Zeit des heiligen Dominikus tun sich auf. Dominikus predigte gegen Ketzerei und Ignoranz; seine Nachfahren stehen vor einer ähnlichen Situation. So werden die kommenden Jahre zeigen, ob die dominikanischen Laien in der Lage sein werden, ihre Regel mit Leben zu erfüllen. Nur so können sie das Wort Gottes aufnehmen, glaubwürdig verkünden und gemeinsam mit den anderen Zweigen der Dominikanischen Familie mit wachem Verstand und offenem Herzen auf die Menschen zugehen, die auf der Suche sind, und so letztlich mit uns gemeinsam an einer »neuen Welt« bauen möchten.

Literatur

Die Regel und das Direktorium der Laiengemeinschaften im Orden des Heiligen Dominikus. Ordensprovinz Teutonia (Manuskriptdruck), Düsseldorf  o. J. [1989]. Anhang (29-33): V. de Couesnongle, Die Laien: Nur Anhängsel oder organischer Teil der Dominikanischen Familie?

(erschienen in „Frauen und Männer im Dominikanerorden – Geschichte – Spiritualität – aktuelle Projekte“, Hrsg. Thomas Eggensperger/ Ulrich Engel, Mainz [1992])